PORTRÄT UND INTERVIEW

Im Gespräch mit…

Richter Musikowski, Berlin

Wie wollen wir arbeiten?

  • Autorin: Christina Gräwe
  • Foto: Kirsten Bucher, RICHTER MUSIKOWSKI

Als Unikollegen arbeiteten sie am Wettbewerb für das „Haus der Zukunft“, das mittlerweile „Futurium“ heißt, ein Ausstellungsgebäude. Dann kam 2012 der überraschende Zuschlag, aus Christoph Richter (CR) und Jan Musikowski (JM) wurde die Berliner Bürogemeinschaft Richter Musikowski. Jetzt steht das Haus in Laufnähe zum Berliner Hauptbahnhof. Das Büro intensiviert wieder – erfolgreich – die Beteiligung an Wettbewerben. Ein Gespräch über fünf aufregende Jahre, über Bilder, Kommunikation und Vertrauen.

INTERVIEW

Im Gespräch mit …

Wettbewerbe spielen eine große Rolle in Ihrer Arbeit. Wie nähern Sie sich den Aufgaben an?

JM: Wir machen ungefähr vier Wettbewerbe im Jahr. Man muss von seiner Idee selbst überzeugt sein, dann kann man auch andere überzeugen.

CR: Im besten Fall passt der eigene Ansatz mit den Erwartungen der Auslober und Nutzer zusammen.

Einem relativ jungen Büro mit einem bisher überschaubaren Werkverzeichnis eine so große Aufgabe wie das „Futurium“ zu übertragen, spricht für einen gewissen Vertrauensvorschuss. Wie haben Sie das wahrgenommen?

CR: Es würde uns umgekehrt interessieren, wie die anderen Beteiligten das heute sehen. Der Wettbewerb war jedenfalls so ausgeschrieben, dass auch jüngere Architekten mit weniger Erfahrungen eine Chance hatten. Es bestand eine große Offenheit beim Auslober.

JM: Die Jury hat den Entwurf bestätigt und empfohlen – der Bauherr war also unter Zugzwang, ihn auch zu realisieren. Natürlich mussten wir einige Nachweise bringen, aber schließlich saßen wir alle an einem Tisch. Unter unseren Gesprächspartnern war anfangs aber nur ein einziger Architekt. Wir mussten erst eine gemeinsame Sprache finden, um uns gegenseitig zu verstehen.

Ein konkretes Ausstellungskonzept beinhaltete die Aufgabenstellung nicht. Wie baut man eine Hülle für einen Inhalt, der noch gar nicht klar definiert ist?

CR: Wir haben zuerst im eigenen Bildergedächtnis gestöbert und uns diese Bilder pingpongartig zugespielt.

JM: Für die rautenförmige Fassadenhaut standen etwa das Hitzeschild einer Raumfähre oder das changierende Bild einer Wolke Pate. Es geht aber bei den Bildern nie um eine Eins-zu-eins-Übertragung,sondern um ein Ausloten der Vielseitigkeit.

Christoph Richter

Drehen wir das Rad nochmal zurück: Wie sind Sie sich begegnet?

CR: Wir haben uns als wissenschaftliche Mitarbeiter an der TU Dresden kennengelernt. Und bald festgestellt, dass uns die gleichen Impulse umtreiben und wir die gleiche Bildsprache haben. Mit dem
„Futurium“-Wettbewerb haben wir noch mit der Rückendeckung durch die Uni begonnen.

JM: Christoph hat auf einmal gefragt: „Was machen wir eigentlich, wenn wir gewinnen?“ Darauf meinte ich: „Dann bauen wir es.“ Mit dem Zuschlag wurde unsere Bürogemeinschaft geboren.

Jan Musikowski

Und wie arbeiten Sie zusammen?

CR: Wir diskutieren viel. Manchmal ist es schwierig auszuhalten, wenn etwas aus Sicht des einen nicht passt. Die gegenseitige Kritik empfinden wir aber nicht als störend …

JM: … sie hilft eher, eine Entscheidung „scharf zu stellen“. Dieser Prozess ist ja auch ein Prüflauf für die Realität.

CR: Intern ist das wie ein kleiner Wettbewerb, nach außen entsteht aber eine gemeinsame Lösung.

JM: Wir sehen die Qualität unserer Zusammenarbeit einerseits in einer gemeinsamen Schnittmenge und andererseits in den individuellen Fähigkeiten von uns und unseren Mitarbeitern. Christoph ist ein präziser Zeichner …

CR: … Jan ist der Kommunikative. Er sieht auch Konflikte sportlicher.

„Wir haben bald festgestellt, dass uns die gleichen Impulse umtreiben und wir die gleiche Bildsprache haben.“

Christoph Richter, Richter Musikowski, Berlin

Ganz grundsätzlich: Warum überhaupt die Architektur?

CR: An der TU Dresden war die Architektur das kreativste Angebot. In der freien Kunst muss man alles selbst finden, in der Architektur hat man konkrete Aufgaben. Und ich bin über Graffiti zum Zeichnen gekommen, das konnte ich in der Architektur weitertreiben.

JM: Ich bin in einem Magdeburger Plattenbauviertel aufgewachsen, da war der Architektureinfluss überschaubar. In Weimar im Studium habe ich dann richtig Feuer für die Architektur gefangen.

Was hat Sie beeinflusst, was inspiriert Sie?
CR: Mich interessiert die zeitgenössische Architektur mehr als die historische. Das wechselt zwischen dem, was in der Schweiz passiert – oder in Japan oder Holland. Eine Zeit lang habe ich in Spanien bei Grupo Aranea gearbeitet – das hat mich aus dem „Kistenkosmos“ des Grundstudiums rausgeholt. In Deutschland finde ich weniger Inspiration.

JM: Mir gefällt grundsätzlich, wenn ich einen universalen Ansatz entdecke, wenn ein Gebäude je nach Aufgabe jedes Mal neu gedacht wird.

Nach dem „Futurium“ ist vor …?
CR: Unser aktuelles Projekt ist ein gewonnener Wettbewerb für ein Feuerwehrgerätehaus in Radebeul. Es ist eine vergleichsweise kleine Aufgabe. Aber hier stellen sich ganz andere Fragen und Herausforderungen.

JM: Wir möchten dort über die pragmatischen Funktionen hinaus einen Treffpunkt schaffen: die Dorfmitte, einen Ort zum Feiern.

Wenn Sie sich eine Bauaufgabe wünschen dürften, welche wäre das?
JM: Ich kann mir eine schöne Wohnwelt vorstellen. Oder wieder eine Schule. Oder – im Kontext der Natur: eine Berghütte.

CR: Eine Raumstation. Oder ein Refugium. Meine Wunschaufgaben haben mit Ferne zu tun.

PORTRAIT

Was machen wir eigentlich, wenn wir gewinnen?

Das Büro Richter Musikowski befindet sich in einer spannenden Phase: Die Arbeit an dem bisher größten (Ent-)Wurf von Christoph Richter und Jan Musikowski sowie seine Realisierung ist weitgehend abgeschlossen. Nach fünf aufregenden Jahren können die Architekten wieder tief durchatmen – im Standby-Modus befinden sie sich jedoch nicht. Sie setzen das Wettbewerbsgeschäft fort, das bereits zu einem weiteren Erfolg geführt hat.

 

Der erste gewichtige Wettbewerbsgewinn war der zum „Futurium“ in Berlin und bewog Christoph Richter und Jan Musikowski 2012 dazu, Dresden und die dortige Technische Universität zu verlassen und in Berlin ein gemeinsames Büro zu gründen. An der TU Dresden hatten sie sich als wissenschaftliche Assistenten kennengelernt und bald festgestellt, dass sie sich entwerferisch sehr gut verstanden. Gut genug, um sich an die Herausforderung eines derart komplexen Gebäudes wie des „Futuriums“ zu wagen.

Richter und Musikowski setzen auf die sich ergänzenden Fähigkeiten jedes Einzelnen.

Jan Musikowski, 1974 geboren und in Magdeburg aufgewachsen, hatte an der Bauhausuniversität Weimar Feuer für die Architektur gefangen, wechselte an die Virginia Tech in den USA und kehrte für sein Diplom nach Weimar zurück. Die Jahre in den USA waren sehr wichtig, aber auch seine Zeit als Projektleiter bei AFF Architekten bezeichnet er als prägend. Ebenfalls als freier Mitarbeiter sammelte er unter anderem bei Heinz Tesar in Wien („ein Meister“) und HG Merz weitere Erfahrungen.

Christoph Richter, 1982 geboren und in Dresden aufgewachsen, fand über das Zeichnen zur Architektur. Es suchte ein kreatives Fach, zugleich eins mit konkreten Aufgaben. Vor seinem Diplom 2010 an der TU Dresden verbrachte er eine inspirierende Zeit als freier Mitarbeiter bei Grupo Aranea im spanischen Alicante, die ihn „raus aus dem Kistenkosmos“ gebracht habe. Wie Jan Musikowski arbeitete er ab 2010 als wissenschaftlicher Assistent an seiner Heimatuniversität. Er stimmt mit ihm überein, dass die Lehre sehr dabei helfe, Geschichten zu erzählen und Bilder zu vermitteln, beides hilfreiches Handwerkszeug in der Diskussion mit potenziellen Auftraggebern.

Ihr Kreuzberger Büro besetzen die beiden Architekten je nach Auftragslage mit einem wechselnd großen, immer aber überschaubaren Mitarbeiterstamm. Der Austausch ist intensiv; Richter und Musikowski setzen auf die sich ergänzenden Fähigkeiten jedes Einzelnen. Derzeit arbeiten sie an einem Feuerwehrgerätehaus für Radebeul, dem zweiten gemeinsamen Wettbewerbsgewinn.

Fünf Projekte
In naher Zukunft, gemeinsam:
in Planung Feuerwehrgerätehaus Radebeul, Stadt Radebeul, Wettbewerb 1. Preis

„Vorgeschichte“ Jan Musikowski (Projektleitung für AFF Architekten):
2010 Gemeinschaftsschule Anna Seghers, Berlin-Adlershof
2008 Schloss Freudenstein, Freiberg

„Vorgeschichte“ Christoph Richter:
2010 Museum Alte Meister Berlin, Ideenwettbewerb 1. Preis,
2010 Plusenergiehaus, Berlin, Realisierungswettbewerb 2. Preis
(am Lehrstuhl Wohnbauten – TU Dresden)

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